Die Anfänge der Astronomie in Regensburg
Astronomie kann in Regensburg auf eine lange Tradition zurück blicken. Schon im Hochmittelalter nahmen Mönche des Klosters St. Emmeram Beobachtungen am Nachthimmel vor und gaben ihr Wissen an nachfolgende Generationen weiter. Das sogenannte Astrolabium des Wilhelm von Hirsau, das heute im Historischen Museum in Regensburg ausgestellt ist, zeugt davon. Es wurde als Lehrgerät genutzt und ist das älteste derartige Instrument in Deutschland.
Johannes Kepler
Der bekannteste Astronom, der mit Regensburg verbunden ist, dürfte vermutlich Johannes Kepler sein. Er besuchte die Stadt häufig und nutzte sie etwa als Wohnort für seine Familie, während er selbst in seine Geburtsstadt Weil der Stadt reiste. Dort verteidigte er seine Mutter erfolgreich gegen den Vorwurf der Hexerei. Im Regensburger Dom erkannte er 1613 erstmals Sonnenflecken, als brüchige Fensterscheiben die Sonne auf den Boden des Doms projizierten. 1630 kam er ein weiteres Mal nach Regensburg, um vor dem Reichstag ausstehende Gehaltszahlungen einzufordern. Nach kurzem Aufenthalt starb Kepler infolge einer schweren Krankheit. Der Aufenthalt seiner Gebeine ist unbekannt, doch zeugen heute das Kepler-Gedächtnishaus und ein Denkmal in der Nähe des Bahnhofs von seinem Wirken in der Stadt.
Wissenschaft im Kloster St. Emmeram
Im Ende des 18. Jahrhunderts begann das Kloster St. Emmeram, ein umfangreiches Interesse für Naturwissenschaften zu entwickeln. Besonders unter den Äbten Frobenius Forster und Coelestin Steiglehner stattete sich das Kloster mit einer umfangreichen Instrumentensammlung aus und nahm systematische meteorologische und astronomische Messungen vor. Besonders der Mönch Placidus Heinrich systematisierte die Aufzeichnungen und hielt Vorlesungen zu Themen aus den Naturwissenschaften, bei denen die Astronomie eine große Rolle spielte. Nach der Säkularisierung des Stiftes 1810 gründete das Königreich Bayern als „Ersatz“ das Lyzeum. Diese Einrichtung diente hauptsächlich Philosophie- und Theologiestudierenden als Vorbereitungsinstitution, bevor sie an einer Universität ihr Studium vertieften. Dort wurde Heinrich als Professor übernommen und führte seine Studien fort.
Astronomie im 19. Jahrhundert
Dank Placidus Heinrich nahm Astronomie eine bedeutende Stellung im neuen Lyzeum ein. Für seine Beobachtungen nutzte er einen alten Turm der mittelalterlichen Stadtmauer, der sich auf dem Grund des Klosters befunden hatte. Dieser sogenannte Placidus-Turm wurde so intensiv genutzt, dass der neue Eigentümer, Fürst Karl-Alexander von Thurn und Taxis, wenige Jahre nach Heinrichs Tod beschloss, den Turm ganz dem Lyzeum zu überlassen. Im 19. Jahrhundert war dies der Ort, an dem die Astronomie in Regensburg stattfand. 1902 allerdings beschloss die Stadt Regensburg, den neuen Verkehrsverhältnissen gerecht zu werden und erweiterte den Petersweg. Damit musste der Placidusturm weichen.
Eine Kuppel über den Dächern der Stadt
Um dennoch weiterhin Astronomie anbieten zu können, beschloss das Lyzeum, auf seinem eigenen Gebäude eine Kuppel zu errichten. Hoch oben über der Stadt konnte so den Studierenden der Nachthimmel direkt näher gebracht werden – sie mussten nicht einmal mehr das Gebäude verlassen. Da der Standort am Ägidienplatz 2 damals auch den Stadtrand Regensburgs darstellte, waren die Lichtverhältnisse entsprechend gut. Die viereinhalb Meter durchmessende Kuppel, von der Dresdner Firma Heyde erbaut, die noch heute weitgehend im Originalzustand existiert und unter Denkmalschutz steht, wurde mit einem 150mm Refraktor von Reinfelder ausgestattet, der heute im Hörsaal der Sternwarte ausgestellt ist.
Karl Stöckl gründet die Volkssternwarte
Im alten Lyzeum war die Sternwarte nur den Studierenden und den Professoren vorbehalten. Die Öffentlichkeit war von ihrer Benutzung ausgeschlossen. Das änderte sich, als Prof. Karl Stöckl nach Regensburg berufen wurde. Der Physiker, der zuvor am Lyzeum in Passau gearbeitet hatte, kam 1919 auf eigenen Wunsch nach Regensburg und übernahm die Professur für Physik, Mathematik und Astronomie. Dabei stellte er fest, dass die Sternwarte, die nun in seiner Verantwortung lag, in den Jahren des Ersten Weltkriegs ziemlich vernachlässigt wurde. Im Rahmen eines allgemeinen Versuchs des Lyzeums, seine Verbindungen zur Öffentlichkeit zu verbessern, entschied Stöckl, dass die Sternwarte und auch die Themen der Astronomie allen Regensburger Bürger*innen zuteil werden sollten. Daher begann er 1920 damit, öffentliche Vorträge und Führungen durch die Sternwarte mit Beobachtungen am Teleskop anzubieten. Sein erster öffentlicher Vortrag hatte die Milchstraße zum Thema und fand am 12. Januar 1920 statt. Im Anschluss daran hielt er noch im selben Monat drei weitere Führungen für Publikum außerhalb des Lyzeums. Innerhalb kurzer Zeit begann Stöckl damit, jeden Freitag die Sternwarte für die Allgemeinheit zu öffnen, so wie es bis heute fortgeführt wird. Daher kann dieser 12. Januar 1920 als Gründungsdatum der Volkssternwarte Regensburg gelten, was sie zur ältesten Volksternwarte im süddeutschen Raum macht.
Die Sternwarte etabliert sich
Stöckl betrieb die Sternwarte bis zu seinem Tod im Jahr 1959. Er rettete während dem Zweiten Weltkrieg die Teleskope und die Bibliothek der Sternwarte vor Beschädigungen und begann nach dem Krieg, schnell wieder im alten Rhythmus die Sternwarte zu betreiben. Er wurde für seine Tätigkeiten in der frühen Bundesrepublik auch mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und erhielt von der Stadt Regensburg die Albertus-Magnus-Medaille. In den 1950er Jahren bekam er in der Sternwarte Unterstützung von Prof. Bernhard Heß, seinem Nachfolger als Professor, und Alois Menath, einem Handwerker, der sich autodidaktisch ein enormes Wissen über Astronomie aufbaute. Die beiden übernahmen nach Stöckls Tod die Sternwarte und führten sie in Eigenregie weiter. Somit blieb der Betrieb und die Öffentlichkeitsarbeit der Volkssternwarte gewährleistet. 1968, mit der Auflösung des mittlerweile in Philosophisch-Theologische Hochschule umbenannten Lyzeums, fiel die Sternwarte in die Zuständigkeit der Fachhochschule, was am eigentlichen Betrieb aber kaum Änderungen bedeutete.
Entwicklung bis heute
Nachdem deutlich wurde, dass sich in Regensburg zunehmend auch Menschen in der Sternwarte engagieren wollten, die nicht mit der FH verbunden waren, gründete sich 1976 der „Verein der Freunde der Sternwarte Regensburg e.V.“, der bis heute eigenständig und unabhängig den Betrieb der Volkssternwarte aufrecht erhält. Im Zuge dessen erneuerte die Sternwarte ihre Räumlichkeiten und renovierte 1982 auch die Kuppel, die dazu abgehoben werden musste. Der Verein professionalisierte den Führungsbetrieb und baute sein Angebot und seine Instrumente stets aus. Gleichzeitig wuchs aber auch die Stadt Regensburg, sodass die Lichtverschutzung immer weiter zunahm und Beobachtungen von lichtschwachen Objekten immer weiter erschwert wurden. Deshalb beschloss der Verein in den 1990er Jahren, eine Außenstelle im bayerischen Wald zu errichten, in der die Mitglieder exklusiv die Vorzüge des dortigen dunklen Himmels genießen können, während in der Stadtsternwarte die Volksbildung weiter betrieben wird.